AW: Leute anbellen
Hallo Tigerle,
das ist jetzt recht spät mit der Antwort - aber vielleicht liest Du es ja doch noch.
Erst mal: Man kann den Hunden das Bellen auch verbieten!
Also, sobald der Hund auf einen Spaziergänger losstürmt und bellt - hinter her! Mit bitterböser Stimme "Aus bellen!" rufen. "Wirst du wohl aufhören!" Hund am Halsband schnappen und in den Platz beordern. Bei überraschter Ruhe: LOBEN! Die Sache mit verschiedenen Leuten mehrmals konsequent wiederholen. Nie durchgehen lassen!
Solch ein rasches Eingreifen tröstet auch die angebellten Spaziergänger. Hinterher entschuldigen nicht vergessen! Dabei soll der Hund zumindest im Sitz bleiben - und du hältst ihn am Halsband fest. Er soll der nachfolgenden Unterhaltung beiwohnen und ruhig bleiben. Er soll durch die nachfolgende Unterhaltunge mitkriegen, dass die von ihm angebellten Menschen harmlos sind. So harmlos, dass Frauli ein entspanntes Gespräch mit ihnen führen kann. Versuche, das dahin zu drehen, das ist wichtig! - Unten mehr darüber.
Denn zweitens:
Der Hund bellt nicht grundlos. Irgendwas gefällt Deinem Hund an machen Leuten nicht. Das kann eine Kleinigkeit sein, wie ein Schnurrbart, eine Mütze, ein Wanderstock, irgendwas, mit dessen menschlichem Träger Dein Hund meint irgendwann schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Vielleicht hat ihm mal eine fremde Frau mit Kapuze böse und direkt in die Augen geguckt. Wenn sie dazu noch unvermittelt hinter einer Tanne auftauchte, kann so ein Erlebnis ausreichen, um den erschrockenen Hund in ähnlichen Situationen auf Bellen zu konditionieren. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und manchen Menschen ist hier in Unordnung geraten.
Ich kenne solche Bellatacken von mehreren Hunden. Mein letzter Lucyhund ( Labbi x Golden-Mix) hasste auf Angler, sofern sie eine Angel in der Hand hatten. Es geschah wegen der Angel, die für Lucy eine unerlaubte Verlängerung ihres Armes darstellte. Sie hasste auf Türkenfrauen, weil die so vermummt waren, und auf Menschen mit dunkler Hautfarbe, sprich auf Schwarze. Letztere beiden Situationen waren mir ausgesprochen peinlich!
Aber hier war das Bellen so speziell, dass ich, nachdem ich die Auslöser kannte, schon im Vorfeld reagieren konnte. Also, wenn mir auf der Einkaufsmeile in der Stadt vermummte Türkinnen entgegenkamen, kam der Hund sofort an die Leine, und im bei Fuß gehen, nahe Fraulis Bein, könnte Lucy die Angst ertragen, die für sie von den Türkenfrauen ausging. Unterstützt von meinen Worten: "Und du bellst nicht! Es ist alles in Ordnung!"
Als ich Bonnie (Labbi-Mix) mit sechs Monaten aus einer spanischen Tötungsstation bekam, hatte sie tierische Angst vor älteren, grau gewordenen Männern, die sich zur Panik steigerte, sofern die auch noch einen Bart trugen.
Leider - oder Gottseidank? - wohnten zwei solche Exemplare genau bei uns im Haus. Vorne der ältere Bauer, und hinten über uns, der ältere Nachbar Horst, der noch dazu einen grauen Rauschebart trug.
Also habe ich ihr erst mal das Bellen verboten, siehe oben. Aber das Verbot alleine macht es nicht. Es muss für den Hund die Erfahrung dazu kommen, dass man solchen Leuten - ganz im Gegensatz zur verinnerlichten Meinung - doch vertrauen kann.
Deshalb ist es so wichtig, dass Du auf solche Bellsituationen zugehst, und guckst, dass Du sie IMMER gut auflöst. Der Hund muss mitkriegen, dass DU sein Bellen nicht haben willst - und dass es grundlos war. Ideal ist, wenn er sich hinterher von den vorher angebellten streicheln lässt.
Erzähl den Leuten meinetwegen, der Hund habe neulich einen tierischen Schreck vor Spaziergängern bekommen ( erfinde eine Situation) und seitdem würde er bellen. Und jetzt müsstest Du gucken, dass Du es wieder rauskriegst, und der Hund wieder vertrauen kann. Mit solcher Sprache kannst Du eine Brücke bauen.
Mit Bonnie ging es relativ einfach weiter, weil der Nachbar Horst halt jeden Morgen und jeden Abend durch unseren Garten musste, wo Bonnie und er oft allein auf einander trafen. Als hundeerfahrener Mensch ließ er sie anfangs halt bellen, lockte sie aber doch. Nach drei Monaten endlich, ließ sie sich von ihm streicheln. Seitdem ist die "alte-Männerangst" passé.
Pflegehund Tino aus dem Tierschutz (Spitzmischling aus einem Auffanglager auf Malta) hatte es mit südländisch aussehenden jungen Männern. Und das, während ich einen 23jährigen Sohn mit großem Freundeskreis habe. Anfangs hat er dergleichen Jungmänner sogar vor der Wohnzimmertür wild bellend gestellt und einmal zugeschnappt. Gottseidank hatte der Junge 'ne schwarze Motorradhose an, und der Biss ging nicht durch.
Sie waren aber tapfer, die Freunde von Paul. Ich habe ihnen beigebracht, freundlich und anfangs mit viel Weggucken und Gähnen ( Beschwichtigungssignale), doch auf den Kleinen zuzugehen.
Am besten machte es ein in Deutschland geborener Junge italienischer Herkunft. Obwohl er in Tinos Angriffsraster passte, flötete er ihm immer wieder in süßesten Tönen: "Mein Schätzelein!" und hielt ihm die Hand hin. Tino war extrem misstrauisch - aber er wollte auch sooo gerne "Mein Schätzelein!" sein...
Tino war 10 Monate bei mir, nach 5 Monaten wurde es besser. Tino habe ich das Bellen nicht verboten. Einem neurotischen Hund, der aus einer extrem schwierigen Lage kommt, und für den man selbst fremd ist, kann man kein Bellen verbieten. Wenn ich versucht hätte ihn beispielsweise festzuhalten, er hätte mich gebissen. Und auf laute Worte wie "Aus Bellen!", hätte er mit erhöhter Angst reagiert.
Also, hier ging es anfangs absolut NUR über das Vertrauen finden. Wir haben es aber hingekriegt. Wenn der Hund erst mal Vertrauen zu einem selbst hat, gestattet er auch das Abrufen vom Bellen, wenn andere ihm unheimlich sind.
Und wenn die sich dann noch als harmlos outen, und der Hund ein "Schätzelein" sein darf, wird alles gut.
Ich hoffe, Du kannst mit meinen Zeilen etwas anfangen.
Mit liebem Gruß,
Geli :blume2: