AW: Überlegungen zum Pferdekauf
Dankeschön Ihr beiden!
July, was würdest Du denn für Rassen als Anfängerpferd empfehlen? Habe zwar einige kennengelernt, aber aufgewachsen bin ich mit Hannoveranern und Haflingern (und Kaltblütern
).
Mal eine ganz andere Frage: gibt es bei Pferdezüchtern eigentlich auch einen Verband an den man sich wenden kann? Ich mein jetzt so wie bei Hunden der VDH oder FCI.
Hi Marie,
ich würde überhaupt keine Rasse empfehlen, sondern ein ausgeglichenes Pferd. Haflinger halte ich nicht für geeignet als Anfängerpferde. Die werden oft unterschätzt. Mein Haflinger ist ein Temperamentsbündel. Unsere Quarters sind ruhige Vertreter, gelassen - manchmal empfinde ich sie als ein bißchen langweilig..... Wichtig ist, dass es beim Kauf eines Pferdes im Magen kribbelt und das die Chemie stimmt.
Ich gebe Dir mal zwei Pferdekaufbeispiele (die beiden habe ich gekauft):
1. Pony Gyzmo:
12jährig, Schecke, Mix American Paint und Pony. Aussschlaggebend für den Kauf: Gyzmo war absolut dominant seinem Beistellpony gegenüber, kam bei der "Besichtigung" direkt zu mir und quetschte seinen Kopf unter meinen Arm. Bums. Da wars geschehen. Er war wie gesagt 12jährig, hat einen viel zu kurzen Hals, eine super Hinterhand, ich wußte sogar, dass er hinten links eine leicht Arthrose hat - aber sein Charme war für mich unüberwindbar. Ein völlig unvernünftiger Kauf, aber: Er ist inzwischen, nachdem ich mit ihm gearbeitet habe, ein hervorragendes Pony für Jugendliche und teilweise Kinder, auch Erwachsene reiten ihn gerne. Er wird täglich bewegt - auch aufgrund der Arthrose, die sich so gut wie nie bemerkbar macht, außer es ist feucht, dann geht er die ersten 15 Minuten klamm. Bei ihm hat sich gezeigt, dass die Chemie stimmen muß. Er kam übrigens in unsere Herde und war überhaupt nicht mehr dominant - ich wußte beim Kauf, dass meine Leitstute ihm erstmal keine Chance zur Rebellion geben würde. Da war ich mir 100 % sicher und so stand und steht er auch jetzt noch ziemlich weit hinten in der Hierarchie.
Der 2. Kauf, den ich ausschließlich aufgrund eines kribbelnden Magens machte ist: Meine Leitstute - sie habe ich vor 8 Jahren kennen gelernt. Eine unscheinbare Stute, Graufuchs, graue Mähne, grauer Schweif, schwarze Socken, rötliches Haar. Stand irgendwo auf der Weide, jahrelang unbeachter, kam dann wegen eines Stallwechsels zu uns, Besitzer kümmerten sich nicht, die Stute war agressiv. Sie wollte jeden "platt" machen, der ihre Weide betrat. Zog sich ansonsten komplett vom Geschehen zurück. Ich recherchierte und fand raus, dass dieses Pferd einst ein Schulpferd war in einem teuren Reitstall, der einem Nobelhotel angeschlossen war. Dieses Pferd diente dem dort ansässigen Reitlehrer als "Prügelknabe". Die Stute wurde täglich verdroschen - einfach so. Eine Reitschülerin kaufte die Stute für eine Unsumme frei. Doch hatte sie keine Zeit. Ich entschloss mich das Pferd zu kaufen. Sie griff stetig an und ich arbeitete stetig mit ihr. Eine gute Freundin von mir sagte zu mir: "Wieso kaufst Du so ein unscheinbares, bösartiges Pferd?" Und ich sagte ihr, dass ich wüßte, dass sie eine ganz tolle ist - und das ist sie. Nachdem sie ihre Agressionen quit war, Kondition aufgebaut hatte und ein normales Pferdeleben führen durfte, ist sie unser "Star" geworden. Sie führt die Herde, sie ist absolut zuverlässig, zickt zwar manchmal rum, aber ist meine absolute Favoritin. Auch wenn wir bestimmt Pferde haben, die "schöner" sind. Für mich ist sie die Seele der ganzen Herde.
Was ich damit sagen will ist: Es gibt kein Pferd das man empfehlen kann. Es gibt keine Garantie. Wenn Du Dir wirklich ein Pferd kaufen willst, verschiebe das nach hinten. Nehme lieber erstmal eine Reitbeteiligung und finde Dich in den Reitalltag wieder ein. "Das" Marie-Pferd läuft Dir irgendwann über den Weg - oder: Du bist auf dem Pferd nach 15 Jahren Pause wieder sicher, dass Du Dir eine Rasse "rauspicken" kannst. Ich würde erstmal 1 - 2 Jahre ganz eng mit Pferden verbringen, Sommer genießen, Winter hassen und dann loslegen. Und ob man ein Pferd mit in den Urlaub nimmt oder nicht, ist völlig egal. Ein Pferd fühlt sich in seiner gewohnten Umgebung am wohlsten und bei seiner Herde. Wenn Du ein Pferd vor die Wahl stellst: Urlaub oder heimische Herde wird es sich für die Herde entscheiden. Ganz klar. Die ist wichtiger als "Urlaub". Pferde sehen das anders als wir. Die können sehr wohl ohne uns und in jedem venünftig geführten Stall, wo erfahrene Leute arbeiten, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Pferde auch in Abwesenheit der Besitzer genauso hervorragend versorgt werden wie sonst auch.
LG
July