AW: tierheim hund
Hallo Nanog,
ich hatte eine ganze Zeitlang auch so ein gestörtes Exemplar ( aus dem Tierschutz) - und habe ihn jetzt wieder. Zweiter Vermittlungsversuch auch fehlgeschlagen. Dennoch ist der eigentlich Klasse. Wenn Du Zeit hast, lies mal hier:
https://www.tierliebe.at/threads/6664
Jetzt zu Deinen Fragen, bei denen ich hinten anfange, weil es sich so besser erschließt:
Demolieren der Wohnung ist klar, ist Tierheimhund, er kann noch nicht alleine bleiben. ( Tino hat in seiner ersten, kurzen Unterbringung bei alleinlassen auch die Wohnung demoliert) Seine neuen Leute sind ihm dann situativ entzogen, er versteht es nicht, fällt in ein emotionales Loch und muss sich irgendwie abreagieren.
Auf Dauer hilft hier die Geduld des Besitzers und das wachsende Vertrauen des Hundes.
Tipps:
- Alleinlassen mit "Warte" in kurzen Sequenzen minutenweise üben.
Zum Beispiel zum Müllrausbringen. Bei Rückkehr gibt es ein Leckerli.
- Hund nur dann länger im Haus allein lassen, wenn er vorher körperlich gut ausgepowert ist, also ohnehin gleich schlafen wird. Dazu gibt es einen dicken Kauknochen, mit dem er sich beschäftigen kann - Kauen beruhigt.
Dazu Radio an, dass er Stimmen hört, und somit emotional nicht ganz allein ist. Im Zweifelsfall - Wohnzimmertür zu!
Wie gesagt: Es braucht Geduld und das wachsendes vertrauensvolle Erkennen des Hundes, dass Ihr immer wiederkommt! - Denn dieses Wissen hat er jetzt noch nicht.
2. Abhauen.
Das nicht bei seinen Leuten bleiben, ist eine Frage der inneren Bindung, die noch nicht da ist.
Oder umgekehrt: Ein Hund, der innerlich an seine Besitzer gebunden ist, haut nicht ab. Ein solcher Hund kennt seine Menschen, hat Vertrauen, er stimmt sich mit den Augen mit ihnen ab, ohne dass er an der Leine gehen muss.
Auch in diesem Punkt, wie beim Demolieren, fehlt also die innere Sicherheit, das Vertrauen des Hundes. Auch hier ist der Faktor Zeit und Geduld wieder wichtig.
Aber es gibt auch Hilfsmöglichkeiten:
- Mach Dich zu Hause, im Garten, für Deinen Hund interessant, indem Du mit ihm spielst. Finde heraus, was seine Lieblingsspiele sind. Ball werfen?
Leckerlis verstecken unter umgestülpten Eimern? Ihm ein Leckerli zeigen, ihn ablegen, es verstecken und auf "Such" holt er's?
Vielleicht mag er auch nur gebürstet werden?
Solche Beschäftigungen stärken die innere Bindung!
Extrem stärkt auch füttern von ganzen Mahlzeiten aus der Hand.
Dabei soll er sitzen und die Brocken sanft nehmen. - Großes Lob.
Also, Handfütterung bindet! Du kannst das auch sehr gut mit Übungen verknüpfen: Sitz, Platz, Pfötchen, Komm, .... wir laufen..., Steh...Hol den Ball - und aus! ... etc.
Dadurch wirst DU interessant, okay? Und es festigt das Vertrauen.
Nachdem das geübt ist, packst Du ihn ins Auto und lässt ihn an einem ihm unbekannten, aber wie DU weißt, sicheren Ort ( keine großen Straßen in der Nähe) sofort zum Spaziergang frei laufen.
Sofern er abhaut, rufst Du maximal zweimal, klatscht in die Hände, kommt er, gibt es Lob in höchsten Tönen, Leckerchen und eine wunderbare Schmuseeinheit. Kommt er nicht - bist DU weg. Du gehst einfach langsam weiter, der Hund wird Dich schon anhand deiner Schritte finden. Kommt er innerhalb der nächsten Minuten nicht, nimmst Du behaglich Platz hinter dem nächsten Baum. Regel: Der Hund soll
Dich suchen, nicht Du ihn!
Hin und wieder kannst Du noch mal in die Hände klatschen, damit er ein Geräusch von Dir hört, und Dich so besser finden kann. Findet er Dich endlich, ist seine Freude groß - und Deine auch. Lob und Leckerli.
Er merkt sich, dass Du ihn alleinlässt und wird es bald nicht mehr darauf ankommen lassen.
Ich gehe mal davon aus, dass Dein Hund nicht jagt, sonst darfst Du das so anfangs nicht machen. Aber auch ein jagender Hund gibt das Jagen bei guter Bindung zu seinem Besitzer auf. Das bedeutet also nur, Schritt zurück, erst noch mehr an der Bindung arbeiten, siehe oben.
Wenn alles nichts hilft, und mein Pflegehund Tino lieber ein Loch gräbt anstatt meinem zweimaligen Rufen und Klatschen zu folgen, setze ich mich ins Auto, hupe noch zweimal, warte einen Moment - und fahre davon.
Natürlich fahre ich nicht weit. Folgt er immer noch nicht ( Hund muss das Geräusch des Hupens ja erst mit seinem Fernbleiben verbinden) , laufe ich nochmal zurück, rufe ihn hinter mir her, und kommt er langsam angezottelt,
setze ich vor seinen Augen das Auto nochmal in Bewegung.
Mach das dreimal und der Hund weiß spätestens dann: Wenn es hupt, bist Du gleich weg!
Also NICHT hinterherrennen, NICHT hinterherschreien, verstecken und weggehen.
3. Klauen vom Tisch
Euer Hund muss nicht vom Tisch gefüttert worden sein. Er ist ein Tierheimhund, er hat über lange Zeit nichts für sich selbst besessen. Wenn es um wohlriechende Nahrung geht, muss er sich die nach seinem Denken selber nehmen, sonst nehmen die sich andere ( Hunde) und er bekommt nix ab.
Auch hier ist es wieder die Frage der Geduld und des Vertrauens.
Wenn Dein Hund über längere Zeit die Erfahrung gemacht hat, dass er selber immer einen leckeren gut gefüllten Napf vorfindet ( gern auch mit etwas von Euren Speiseresten über dem Hundefutter, denn die begehrt er ja), wird sich die Neigung zu klauen legen.
Wenn Du ihn mit Worten erreichen kannst, wenn er vom Tisch klaut, z.B. scharfes "Aus!" ist es gut.
Sofern das nicht reicht, und er meinetwegen für ihn unverdauliche Speisen beschlagnahmt, wie ein halbes gebratenes Hähnchen, muss Hundi neben dem gerufenen "Aus!" leider zweimal ein halbes Glas Wasser ins Gesicht kriegen. - Auch das übt das Bleibenlassen des Klauens.
4. Bewachen von Nahrungsmitteln, Knurren
Indem Dein Hund nur den Grill knurrend gegen Deine Mutter verteidigt, ist er schon eine Ecke weiter als Tino. Er zeigt damit, dass er den Grill auch für EUCH gegen die Mutter schützt, denn es ist ja nicht nur SEIN Fleisch. Er erlaubt Euch ja, dass IHR das Fleisch nehmt, und ihm dann vielleicht etwas abgebt. Er bewacht also nicht nur "seins", sondern er hat Euch da schon als
ihm übergeordnete Menschen akzeptiert.
Jetzt muss er aber wissen, dass Mutter sich das Fleisch vom Grill holen darf.
Sobald er in einer solchen Situation knurrt, gibt es zwei Möglichkeiten, von denen ich die erstere - wegen der Tierheimvergangenheit - favorisiere:
Erst gibt es für ihn ein: "Aus, knurren!" Dann: "Das ist doch die Mutti! Die darf sich das Fleisch vom Grill nehmen! Komm jetzt her!" - Hund streicheln und beruhigen.
Die Mutter verspeist dann ihr Fleisch, lockt den Hund zu sich und gibt ihm nach "Sitz, der brave Hund!" etwas von ihrem Teller ab.
Damit gibt es schon wieder einen positiven Menschen mehr seiner Hundewelt, das Vertrauen zu allen anderen kann besser wachsen.
Die Alternative wäre, sofern er das Knurren nicht lässt, ihn an die Leine zu nehmen und mit " Platz, du wartest!", ein Stück entfernt im Garten anzubinden, oder er kommt in die Garage. Also, ein Hund, der sich trotz Aufforderung schlecht benimmt, wird ausgeschlossen.
Tino hat nach einigen Restaurantbesuchen immer wieder Gäste unter dem Tisch hervorschießend angebellt. Folglich wurde er immer wieder ins Auto zurückgeführt um dort während des Essens zu bleiben, bis er es nach einigen weiteren Versuchen gelernt hatte. Spruch im Restaurant: " Braver Hund liegt unter dem Tisch!"
5. Andere Leute anspringen und verbellen
Das ist ein heikler Punkt, denn die Gründe können mehrere Ursachen haben.
So wie ich es Deinem Text entnahm, tut er es dann, wenn er freiläuft.
Die Nachbarin in ihrem Garten ist ihm einfach unsympathisch, die soll da weg! So verhält es sich auch mit entgegenkommenden Spaziergängern.
Bin ich da richtig? Er ist der Meinung er ist der King und verjagt die nun aggressiv?
Ich vermute, dann hütet er jetzt. Er behütet sich selbst - alle fremden Menschen sind schlecht! Und er behütet Euch/Dich mit. " Die frechen fremden Leute werde ich wohl doch noch aus UNSERER Umgebung vertreiben können!"
In diesem Fall sollte er lernen, dass DU/IHR auf seinen Schutz nicht angewiesen seid, sondern im Gegenteil, IHR diejenigen seid, die IHN schützen. Und das IHR die Entscheidung trefft, wer 'gefährlich' ist und wer nicht.
Dazu gehört seine Abrufbarkeit, also zurück auf die oben genannten Punkte, insbesonders Punkt zwei:
DU bist interessant! Du rufst kurz, klatscht in die Hände und forderst ihn damit auf zu kommen. Tut er es nicht, lässt Du keinen Spaziergänger und keine Nachbarin länger leiden, sondern schnappst ihn Dir und ordnest ihn unter. Ja, das kann Beuteln im Nacken sein - wenngleich dies heutzutage nicht mehr gern gemacht wird - genauso gut ist strenges Sitz, Platz, Pfötchen.. Der Hund muss nur mitkriegen, dass Du über seine Handlung sauer bist und die nicht stehenlassen willst.
Dann kommt er kurz an die Leine, und erst wenn er sich einige Zeit artig und abrufbar zeigte, darf er wieder laufen.
Es kann aber auch sein, dass er aufgrund seiner Tierheimvergangenheit Angst vor fremden Menschen hat.
Also, er ist nicht der King, der hütet, sondern er greift sie an aus Angst, sie könnten ihm und Euch zu nahe treten.
Guck da mal ganz genau hin und achte auf seine Körpersprache. Dann muss er einfach noch einige Monate positive Erfahrungen machen.
Das heißt, zur Nachbarin kommt er nicht, und wenn, dann nur wenn Du Dich nett mit ihr unterhältst, und sie somit einen netten Eindruck bei ihm hinterlassen kann. Erzähle ihr von seiner schweren Tierheimvergangenheit, wie ihn das verbogen hat, und wie sehr er jetzt Vertrauen finden muss und Hilfe braucht. Mach Dir seine nächsten Feinde zu Freunden!
Je länger die Zeit währt, desto mehr wirst Du seine körperlichen Signale verstehen lernen.
Uff, zu lang!
Fortsetzung folgt.