Lieber Patrick,
du bist ja auch eine alte Nachteule, gell?
Ich kann das gut nachvollziehen, wie es Dir geht mit Spike! Und das Du denkst, er ist unersetzbar für Dich. Aber es kommt manchmal doch anders als man denkt. Ich glaube inzwischen, dass es bei Tieren vielleicht auch eine Art Seelenwanderung gibt.... denn mir ist folgendes passiert:
Als dritten Hund nach einem Mischling und einem Beagle, hatte auch einen über alles geliebeten Labrador, die Lucy.
Lucy war hier im Ort wortwörtlich bekannt wie ein "bunter Hund", weil sie absolut ruhig immer frei bei Fuß ging und dabei ihre rote Leine im Maul trug. Oder einen Einkaufskorb, oder auch mal einen Blumenstrauß.
Die Leute nannten sie "Lady Lucy", wegen ihrer ausgeglichenen, liebenswerten, wohlerzogenen Art. Sie wurde hier im Dorf sehr geliebt.
Na, und ich muss Dir ja nichts sagen, über die persönliche, tiefe Bindung, die man zu einem wahren Hundefreund haben kann. Sie starb am 16. Dezember 2004 in den frühen Morgenstunden in meinem Arm.
In der Folge war ich überzeugt, ich könne nie wieder einen Hund lieben.
Ich wollt auch keinen mehr haben. Bis ich wegen einer Pferdegeschichte in dieses Forum kam. Bis Sina, die nicht mehr hier schreibt, mich in ein anderes Forum lockte. Dort wurden Hunde aus Tierasylen aus dem Mittelmeerraum angeboten. - Ich wollte immer noch keinen neuen Hund. Habe mir nur mal unverbindlich die Fotos angeschaut, grübelte darüber nach, ob ich vielleicht mal einen Pflegehund nähme??? Ich grübelte, bis ich auf Seite 250 des Zergportals angekommen war. Dort schaute mich ein blonder, kleiner, trauriger Labrador an, und sie sah genauso aus wie Lucy!
Da war klar: das ist MEIN Hund!
Ich natürlich sofort da angerufen - aber: der Hund war schon vergeben.
Na - und einen anderen wollte ich nicht.
Zwei Tage später erreichte mich ein neuer Anruf der Tierschutzorganisation, die Famile die mein Kind haben wollte, sei durch die Tierschutzprüfung gefallen, ich könne die Kurze jetzt haben.
Dann: Formalitäten hin und her, ich bekam auch Besuch vom Tierschutz, die Sache zog sich. Endlich ein Anruf am 14. Dezember 05, ich könne Hundi am 15. des nachts in Düsseldorf am Flughafen abholen. So kam Bonnie an Lucys Todestag, fast bis auf die Stunde genau, bei mir zu Hause an.
Und was tat mein kleiner Bonniehund bereits am nächsten Morgen, bei allerersten Ausgang? Sie beharrte darauf, die rote Leine im Maul tragen zu wollen, und ging stolz damit spazieren! - Noch bevor wir aus dem Haus heraus waren hatte sie "sitz" gelernt, und draußen auf dem Feld, mühte sie sich sichtlich, bei Fuß zu gehen! - Ich sag' Dir, mir ist fast gruselig geworden.
Dann habe ich mich aber entschieden, Bonnie als einen anderen Hund zu sehen, was sie ja auch ist.
Jedes Wesen muss die Freiheit haben, sich seinem eigenen inneren Gesetz gemäß zu entwickeln, ohne das da ein Geist der Vergangenheit im Hintergrund steht. Dachte ich.
Es ist auch ein riesen Unterschied, ob du jahrelang einen alten Hund hattest, der schließlich stirbt, oder so ein frisches, tollkühnes, junges Küken. So war für augenfällige Unterschiede gesorgt - wenn man sich auch plötzlich wieder erinnert, dass der alte Hund in seiner Kinderzeit auch jede Menge Schabernack getrieben hat. - Und Lucy war auch nicht so wasserverrückt wie Bonnie.
Und trotzdem dachte ich gestern noch: Bonnie wird Lucy jeden Tag ähnlicher.
Es gibt nach wie vor sooo verückte Parallelen, Sachen, die Bonnie eigentlich nicht wissen kann! Wie, wir besuchen mit meiner Mutter in einer anderen Stadt zum ersten Mal ein Lokal, in dem wir oft mit der Familie und Lucy essen waren.
Bonnie war noch nie dort. Weil aber vor dem Lokal in einer vielbelebten Straße jetzt eine Bausstelle ist, lasse ich Bonnie mit ihrer roten Leine im Maul frei laufen, nachdem wir aus dem Auto ausgestiegen sind. Sie lauft freudig vor, an ein einigen Restaurants und Läden vorbei, und steuert zielstrebig UNSEREN Restauranteingang an. Läuft die Treppen hoch, und wartet schwanzwedelnd vor der Tür. - Da ist mir wieder ganz seltsam geworden.
Oder: Lucy hatte die schlechte Angewohnheit, Schuhe zu verschleppen.
Sie machte den Schuhen nix, trug sie nur liebevoll irgendwo hin, so dass man vor jedem Weggehen im Prinzip den einen Schuh, den man von einem Paar noch hatte, hochhalten musste, und dem Hund sagen: "Lucy, such den zweiten Schuh!" - Was dann auch prompt erfolgte.
Weil mich das aber ein bisschen genervt hat, habe ich Bonnie von vorn herein von Schuhen ferngehalten. Sie darf sie nicht nehmen, nimmt sie auch nicht. Punkt.
Aber eines Abends, ich hatte Fieber und war krank, sagte ich zu Bonnie: "Du, ich kann heute eigentlich nicht mehr mit dir gehen, was hältst du davon, wenn du deinen Haufen mal ausnahmsweise im Garten machst?"
Was macht Bonnie? Sie schaut mich an, geht ins Schlafzimmer und holt einen meiner Draussenschuhe, die ich immer anziehe, wenn wir spazierengehen. Ich war so verblüfft!
Dann habe ich den Schuh genommen, und nach etwas Schlucken eher scherzhaft gesagt: "Okay, wenn du mir den zweiten Schuh holst, gehe ich mit dir!"
Ich habe es nicht geglaubt!!! Bonnie hat dieses Kommando noch nie gehört! - Sie dreht sich auf dem Absatz um, und bringt mir den zweiten Schuh!
Das sind so Sachen, da weiß ich echt nicht, was das ist. - Zufall? Rasseähnlichkeit?
Ich weiß es nicht. Ich habe mich jetzt innerlich entschieden, dass ein Teil Lucy in Bonnie einfach drinsteckt.
Es gibt ungeheuer viele Ähnlichkeiten, wo sie etwas so ungeheuer schnell lernt, als wüsste sie es bereits. Wie, ruhig frei unter dem Tisch liegen im Restaurant. Du, ich musste ihr das gerade einmal sagen! Wie auf der Rückbank sitzen im Auto, und dort sitzenbleiben! - Allerdings hatte sich Bonnie im Gegensatz zu Lucy einen Platz in meinem Bett erobert, aber auch das hat nachgelassen, sie kommt nur noch morgens rein, wenn ich es ihr erlaube.
Also, es gibt Unterschiede, und doch verblüffende Gleichheiten.
So liebe ich jetzt in diesem neuen Hund meinen alten ein Stück weiter.
Deshalb sei getröstet, Patrick. Es kann es durchaus sein, dass der Spike auf irgendeine Weise wieder zu dir zurückfindet. Ich wünsche es Dir.
Liebe Grüße,
Geli:kuss1: